Czernowitz Bukowina - Wo Menschen und Bücher lebten

 

Inhalt

Seite 2 Seiten: 1 2 < vorherige Seite

Buchvorstellung


Über einiges aber stolpert man doch zu nachhaltig, um darüber zur Tagesordnung übergehen zu können, etwa der Hinweis Bernhard Stillfrieds auf einen Eliezer Shternberg-Verband. Gemeint ist natürlich die Elieser-Steinbarg-Kulturgesellschaft. Oder die Unterschlagung Hugo Golds Geschichte der Juden in der Bukowina in der Sammlung der Literaturexponate am Ende des Buches. Ausgerechnet Hugo Gold, der Klassiker der bukowinischen Historiografie, ein zweibändiges Werk in Großoktav, über 400 Seiten stark, mit Hunderten von Abbildungen und in deutscher Sprache verfasst.

Als problematisch erweist sich die Frage der Transliteration der Personennamen und Ortsbezeichnungen, auf die Ilona Slawinski in einem gesonderten Beitrag zwar eingeht, ihrer Arbeit aber keine richtungsweisende Funktion zuzuordnen vermag. Hier vermisst man schmerzlich ein Katalog übergreifendes Gesamtlektorat. Da gibt es etwa den Hinweis auf Isidor Vorobkevyc, Komponist und Lehrer in Czernowitz, dem man seinerzeit eine Gasse der Stadt gewidmet hat, eben die Worobkiewicz-Gasse, so die lokale und amtliche Orthographie bei Ludwig West, nicht anders bei Anton Norst, Adressanzeiger für Czernowitz und Vorstädte, 1895 u.f.; oder Mykola Vasyl´ko, dessen Gedenken für uns Nachgeborene in die durch Celans Elternhaus bekannt gewordene Wassilkogasse mündet. Da gibt es einerseits den Ruzhiner Rebben, dann aber Israel Friedmann aus Ruschin bei Kiew und schließlich den prächtigen Hof in Ruzyn. Aharon Appelfeld wird u.a. mit seinem 1962 erschienenen Titel "Aschan" vorgestellt, und nun mag man raten, wie mit den verwendeten diakritischen Zeichen umzugehen sei. Gerade bei der Würdigung einer polyglotten Stadt, wie sie Czernowitz maßgeblich bis zum Ersten Weltkrieg darstellte, ist die Forderung nach Parallelität und Präsentation anderer, historisch belegter wie aktueller Schreibweisen nicht ungerechtfertigt, vor allem, wenn jene sich - gehäuft oder gar ausschließlich - in der zeitgenössischen Publizistik und amtlichen Verwendung wiederfinden.

Dem Phänomen der Stadt, dem, was Czernowitz im Widerspruch zu seiner bescheidenen Größe einen unvergleichlichen Rang in der europäischen Gedächtniskultur gesichert und posthum zu einem Topos der Weltliteratur hat werden lassen, kommt der Katalog ohnehin nicht bei. Dazu hätte es einer geistesgeschichtlichen Positionsbestimmung bedurft, die mit Gottfried Stanglers und Raimund Langs Einführung sehr hoffnungsvoll anklingt, aber bedauerlicherweise Fragment bleibt. Trotz allem aber ist es mit dem Buch gelungen, einen historischen Blick auf die Stadt und dieses Ländchen, diese Gegend zu wagen und beides mit einer großen Zahl von Exponaten in uns aufleben zu lassen. Ohne die Auseinandersetzung mit der Geschichte, das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, können Standort und Gepräge des heutigen Cernivci und seines oblast nicht erfasst, noch ausgelotet werden. Darin hebt sich dieser Band angenehm von aktuellen Publikationen ab, die zweidimensional in der Gegenwart verharren. Die Genese eines urbanen Organismus, das soll jetzt kein Allgemeinplatz sein, kann nur unter Einbeziehung und Würdigung seiner Vergangenheit ausgeschöpft werden, ein mitunter langwieriger, ein zeitraubender Prozess, zu dessen Erfolg dieser Band Hilfestellung leistet.

Spurensuche. Czernowitz und die Bukowina einst und jetzt. Begleitband zur Ausstellung auf der Schallaburg/Österreich, 2000. Herausgegeben vom Bundesland Niederösterreich und dem Traditionsverband "Katholische Czernowitzer Pennäler". Gebunden, 168 Seiten, 140 ÖS (ATS)

 


Seite 2 Seiten: 1 2 < vorherige Seite
 

Gelber Balken