Czernowitz Bukowina - Wo Menschen und Bücher lebten

 

Inhalt

Buchvorstellung
Verlagstexte

Schwarze Milch

Zurückgehaltene Briefe aus den Todeslagern Transnistriens

 

„Schwarze Milch der Frühe ...": Paul Celans „Todesfuge" ist ein Mahnmal für die Schoa – eine Grabschrift für jene, die kein Grab haben, wie seine Mutter, zu Tode gekommen bei der Deportation nach Transnistrien. In dieser nahezu unbekannten Region wurden zwischen 1941–1944 im rumänischen Holocaust bis zu 410.000 bukowinische und bessarabische Juden umgebracht.

In größter Not schrieben die Opfer im Winter 1941, kurz nach Errichtung der Lager, um Hilfe: 213 Briefe an die zu Hause Verbliebenen – sie kamen nie an. Die ungehörten Hilferufe wurden von rumänischen Gendarmen am Bahnhof Czernowitz abgefangen.

Diese Briefe finden sich in der vorliegenden Publikation, transkribiert und ins Deutsche, Ukrainische, Rumänische und Englische übersetzt.

 

Die über tausendseitige Arbeit ist ein unabdingbares Dokument zum Untergang der rumänischen, bessarabischen und Bukowiner Juden - mit einer luziden Einführung in die historische Situation der Bukowina vor dem Zweiten Weltkrieg durch Dieter A. Binder, Kulturgeschichtler und Kulturanthropologe an der Andrássy Universität Budapest, und einer ebenso bestechenden Einlassung zur Psychologie und Charakteristik des rumänischen Antisemitismus vor und nach dem Zweiten Weltkrieg durch Andrei Corbea-Hoişie, Germanist, Kultur- und Ideengeschichtler an der Universität Alexandru Ioan Cuza, Jassy. [O.A.]

 

Wo, wenn nicht hier?

Man hätte sich gewünscht, Andrei Corbea-Hoişie hätte in seinem Beitrag Es war Erde in ihnen, und sie gruben die Gelegenheit genutzt, den Topos Transnistrien, wie er sich mit der Schoa und der Vernichtung eines großen Teils der rumänischen Juden verbindet, gegen seine politische Aktualität abzugrenzen.

Transnistrien lesen wir heute als jenes historisch-politische Kuriosum, das unter russischer Ägide ein mehr als prekäres staatliches Dasein fristet. Es meint jenen völkerrechtlich nicht anerkannten schmalen Streifen Landes östlich des Dnjestr mit der Eigenbezeichnung Pridnestrowien oder Pridnestrowische Moldauische Republik, russsich Приднестровская Молдавская Республика, ein von Moskau eher mühsam stabilisiertes und am Leben erhaltenes De-facto-Regime. Es ging 1992 durch Sezession aus dem Konflikt zwischen der Republik Moldau und gegen die staatliche Vereinnahmung durch die Moldau Widerstand leistenden und östlich des Dnjestr gelegenen und eben von Moskau unterstützten Landesteile hervor.

Transnistrien, rumänisch Transnistria, das im Zusammenhang mit der Verschleppung und dem Untergang tausender rumänischer, bessarabischer und Bukowiner Juden während des Zweiten Weltkrieges - von 1941 bis 1944  - die zentrale Rolle in dieser Dokumentation spielt, meint hingegen ein sowjetukrainisches, von der deutschen Besatzung an Rumänien abgetretenes und von diesem zivilrechtlich verwaltetes Gouvernement mit der Hauptstadt Odessa, ein Gebiet, das vom Dnjestr im Westen, dem Bug im Osten, dem Fluss Niomjîi, ukrainisch Немия im Norden, vom Schwarzen Meer im Süden eingegrenzt war. Es hatte in etwa die Größe der Schweiz, bestand aus 13 Kreisen (județe) mit 64 Rajonen. Es bildet geographisch mit dem heutigen Transnistrien lediglich eine kleine Schnittmenge.

 

 

Anmerkung zum Ortsverzeichnis..., S. 1073

Ein auf Wissenschafts- und Hochschulpublikationen fokussierter Verlag sollte mit dem Hebräischen wie dem Jiddischen keine Schwierigkeiten haben. Hat er aber. Es geht da nämlich drunter und drüber. Die Schreibdirektion des Hebräischen wie des Jiddischen wird nicht durchgehalten, das Jiddische mit dem Hebräischen verwechselt. So heißt es etwa korrekt קימפאָלונג für Kimpolung, aber ץענישטול ist nicht Лучинець, und Lutschinetz gewiss nicht rumänische Orthographie. Schließlich Czernowitz, טשערנאָװיץ, jiddisch und eben nicht hebräisch (hebräisch schreibt sich das צ׳רנוביץ). Zudem gibt es einige rätselhafte, praktisch unleserliche Konstruktionen wie Kelviznbeorg oder יטsעלוקרaמ, changierend zwischen lateinischer und hebräischer Schrift. - Schaut da keiner hin?

 

 



Schwarze Milch. Zurückgehaltene Briefe aus den Todeslagern Transnistriens. Herausgegeben von Benjamin M. Grilj, in Kooperation mit Serhij Osatschuk und Dmitro Schmunduljak (Дмитро Жмундуляк)

 

 

Der Herausgeber:

Benjamin Grilj, Historiker und Philosoph, 2008–2012 Lehrtätigkeit an der Universität Czernowitz, Ukraine, Forschungsschwerpunkte: südosteuropäische Geschichte und Sprachphilosophie.

 

  • Umfang: 1080 Seiten, gebunden
  • ISBN: 978-3-7065-5197-7
  • Preis: EUR 62,90
  • Sprachen: deutsch/englisch/rumänisch/ukrainisch, mit zahlreichen s/w-Abbildungen

 

StudienVerlag

Markus Bauer. Neue Zürcher Zeitung

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