Inhalt
Das Kriegerdenkmal, gewidmet den Soldaten des in Czernowitz stationierten Infanterieregiments Erzherzog Eugen Nummer 41, errichtet 1901, zum zweihundertsten Jahrestag seines Bestehens, trägt noch immer gut leserlich die Inschrift: „Die dankbare Bukowina. Den auf dem Felde der Ehre gefallenen Angehörigen des Infanterieregimentes Erzherzog Eugen Numero 41“. In einer Dezembernacht des Jahres 1949 wurde der etwa acht Meter hohe Obelisk, auf dem einst der österreichische Doppeladler thronte, von den Sowjets zerstört. Aber der in zwei Hälften geteilte, rötliche Granitsockel mit der besagten Inschrift – in antiquiertem Rumänisch und Ukrainisch - hat sich erhalten. Weder hatte man den Willen oder die Aufmerksamkeit noch die Kraft oder das Geld, hieran etwas zu ändern. Neu ist das vom „Verein zur Verschönerung der Stadt Czernowitz“ 1998 wiedererrichtete Denkmal für Kaiser Franz Josef I. Man findet es auf der Rückseite der Habsburgshöhe. Behaftet mit einer verzeihlichen, grammatikalischen Ungenauigkeit – die slawischen Sprachen stehen nun einmal auf Kriegsfuß mit dem deutschen Artikel - heißt es dort: „Zur ewigen Erinnerung an glorreiches 60. Regierungsjubiläum Seiner Apostolischen Majestät des Kaisers Franz-Josef I. 1848 – 1908“.
Dann der trigonometrische Messpunkt auf der Rückseite und im Garten der Universität: Als solcher fungiert das Denkmal für Josef Hlavka, Erbauer der Erzbischöflichen Residenz. Dort steht: „275 Meter über N(ormal) N(ull). Gradmessung 1875“. Gelegentlich scheint es, als habe in dieser Stadt eine endlos fortzusetzende Zahl von Inschriften, Erinnerungstafeln und Schriftzügen die Jahrzehnte seit 1918 mühelos und wie in wandelndem Schlaf überstanden.
Zuletzt sei dem Archiv der Stadt gedacht. Behaust in den Gewölben, Wendeltreppen, Hinterzimmern und Kammern der ehemaligen Jesuitenkirche, der Herz-Jesu-Kirche am Ferdinandsplatz, gegenüber der Splenygasse und in unmittelbarer Nachbarschaft zum großen Stadtbasar, ist es unschwer zu finden. Dieser Ort wartet unter anderem mit dem gesamten Zeitungsbestand auf, der sich seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts dank des überaus fleißigen publizistischen Bemühens von Privatleuten, Zeitungsredakteuren und Verlagsinstitutionen angehäuft hat. Dazu existiert eine schier unerschöpfliche Zahl amtlicher Dokumente, also Bürgerlisten, Straßenverzeichnisse, behördliche Briefe, offizielle Schreiben, Liegenschaftspläne, notarielle Beglaubigungen und Schulzeugnisse aus Kaiserzeit und Rumänenära, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Ein heller Lesesaal lädt zum Studium ein, jedermann hat Zugang, Deutsch und Rumänisch sind kein Problem. Freie Ukraine. Die Geheimniskrämerei der Sowjetzeit, hier gehört sie der Vergangenheit an.
Nicht unterschlagen werden dürfen die Friedhöfe der Stadt, vor allem die beiden alten, der christliche und der jüdische. Sie warten mit einer schier unermesslichen Zahl von Zeugnissen in den Sprachen und Schriften auf, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg in der Bukowina gesprochen, geschrieben wurden und üblich waren. Von den Sprachen finden sich auf den Grabsteinen schnell ein halbes Dutzend, von den Schriften drei: lateinisch, kyrillisch, hebräisch. Nirgendwo sonst spiegelt sich auf überschaubarem Raum und in problemloser Erreichbarkeit die einst ethnische und sprachliche Vielfalt des Landes deutlicher ab als hier. Das gilt auch für die große Zahl der Friedhöfe draußen auf dem Land. Sadagora, Wiznitz, Czudyn, Berhomet. Für wenigstens einen der berühmten Friedhöfe, die ja nicht immer die jüdischen sein müssen, sollte man sich Zeit nehmen.
Und es gibt die Menschen. Immer wieder erstaunt es, wie oft man auf Reisen durch die Bukowina auf die Kenntnis unserer Sprache stößt. Man sollte sich nicht scheuen, Fragen nach Busverbindungen, nach Personen, Straßen oder Häusern auf Deutsch zu stellen, nicht anders Erkundigungen auf dem Basar oder an der Landesgrenze.
Wer ist schon gewappnet mit der Sprachkompetenz, wie eigentlich für das Begreifen dieser Stadt und für das historische wie kulturelle Verständnis dieses kleinen Landes gefordert, am Ende unabdingbar ist? An erster Stelle steht heute das Ukrainische, keine Frage. Černivci spricht ukrainisch. Aber auch Kenntnisse des Russischen sind notwendig, das Kyrillische herrscht vor. Der größte Teil der Literatur des Landes erschien nach dem Zweiten Weltkrieg in russischer Sprache, ebenso war Russisch die Sprache des Verkehrs, der Partei und der Verwaltung. Taucht man tiefer die die Stadtgeschichte, muss man auf die lateinische Schrift umstellen und sich mit dem Rumänischen vertraut machen. Die Südbukowina spricht und sprach Rumänisch, vor dem Zweiten Weltkrieg aber ebenso gut Deutsch.
Hundertfünfzig Jahre stand das Deutsche an maßgeblicher Stelle. Daneben gab es aber auch das Polnische und vor allem das Jiddische und die hebräische Schrift. Erinnert sei an die Jiddische Sprachkonferenz von 1908, die ausgerechnet hier stattfand, in der Bukowina, in Czernowitz, die einzige ihrer Art überhaupt. Im Nationalgebäude durfte nicht getagt werden, eine Folge des innerjüdischen Streits, aber das Musikvereinsgebäude konnte genutzt werden und das ukrainische Narodni Dim. Auch Hebräisch selbst spielte eine nicht unbedeutende Rolle und spielt es wieder. So gesehen verfügen – zumindest hier im Westen und in unserem Sprachraum – wahrscheinlich nur sehr wenige Menschen über die Sprachkompetenz, die den hohen Anforderungen gerecht wird, sich mühelos, ohne Übersetzungshilfen, im Verhältnis eins zu eins in den Originaldokumenten, Quellen und Belegen zur Landesgeschichte und ihrer Literatur zurecht zu finden oder mit tieferem Verständnis der wechselvollen Geschichte dieses Landes zu begegnen.
Da dies, die Beschäftigung mit der Stadt und mit der gar nicht so großen Provinz, in die sie eingebettet lag, gewissermaßen aus dem Kunstlicht und dem Staub der heimischen Studierstube, aus dem trockenen Reglement öffentlicher Bibliotheken, von der grauen Theorie des Papiers in die holde Praxis eines Freilichtmuseums ganz besonderer Art verlegt werden kann, ein Geschenk von unschätzbarem Wert übrigens, eine außerordentlich glückliche Fügung, sollte man keine Stunde versäumen und sich sofort auf den Weg dorthin begeben. So lange noch Zeit ist. Das bauliche Erbe dieses urbanen Wesens, dazu braucht’rsquo;s keine große Überzeugungsarbeit, es ist unübersehbar, drängt in die Zeit. Sein aktueller Zustand ist hinfällig, nicht weniger als seine nahe und ferne Zukunft anlässlich der großen wirtschaftlichen Sorgen, die die Ukraine beherrschen, beängstigend erscheinen. Beides, wer wird das bestreiten angesichts der betagten Bausubstanz, der seit dem Ersten Weltkrieg versäumten Renovierung sämtlicher Stiegenhäuser, der stadtweit maroden Dächer, der Schlaglöcher in den Straßen, der brüchigen Wasserrohrleitungen, des lädierten Zustands der gesamten kommunalen Infrastruktur, beides gründet sich auf zutiefst Stoffliches oder befindet sich in elementarer Abhängigkeit von diesem.
Und es sieht eigentlich nicht danach aus, als verwende die Stadt alle Mühe, ihren allmählichen Verfall irgendwie aufzuhalten. Sie hat andere Sorgen. Allein zum behutsamen Wandel fehlt ihr die Kraft, die monetäre Potenz. So werden die unbefriedigenden Zustände immer wieder ins nächste und folgende Jahr, in die nächste und folgende Haushaltsperiode perpetuiert, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Natürlich hat die Stadt – so viel Poesie sei an dieser Stell erlaubt - von Anfang an und gleichsam im Schöpfungsakt selber mit ihrem Untergang liebäugelt. Das liegt wohl in ihrer Natur. Aber dass möglicherweise Rettung nicht einmal fern am Horizont der Zukunft auszumachen ist, kann schon Anlass sein für eine kleine Verzweiflung.
Andererseits gibt es gute Gründe, gerade am Tatbestand mangelnder Selbstheilungskräfte die Hoffnung anzuknüpfen, die Stadt rette sich damit erst einmal über irgendeinen wie immer beschaffenen Zeitraum vager Orientierungslosigkeit hin zu einem kunsthistorisch und städtebaulich beglückenden Neuanfang und einer Periode konservatorischer Rückbesinnung. Doch: wo hat es das je gegeben? Mit jeder Einjustierung der wirtschaftlichen Parameter und Plandaten hin ins Positive, das ist zu befürchten - wir kennen das, wir aus dem Westen sind die gebrannten Kinder -, mit jeder Entscheidung zu dieser oder jener fundamentalen wirtschaftspolitischen oder administrativen Weichenstellung wachsen auch Zweifel an einer Genesung der Stadt hin zu einer sowohl architektonischen als auch städtebaulich befriedigenden Konsolidierung. Die Stadt könnte im Zuge allgemeiner wirtschaftlicher Wiederbelebung wohl ihre ökonomische Zukunft gewinnen, ihren einmaligen kunsthistorischen Wert aber schnell verspielt haben.
Denn es ist ja – das muss an dieser Stelle anwaltlich einmal vorgetragen werden – es ist ja nicht einmal der allumfassende Verfall, der der großen kunsthistorischen Hinterlassenschaft ihr Ende bereiten, der das Aus für das Gesamtkunstwerk Czernowitz wie für irgendein anderes auf der Welt einläuten könnte. Es ist auch nicht die Gleichgültigkeit alleine, es sind nicht nur die knappen Mittel, die eingeschränkten Möglichkeiten, die dazu vielleicht ihren Pflichtbeitrag leisten. Wie überhaupt die drohende Gefahr mit Sicherheit nicht aus dem Einmaleins logischen Kalküls abzuleiten wäre. Dann hätte das reiche Mitteleuropa bis heute eine große, ungebrochene kunstgeschichtliche Tradition des Städtebaus.
Dann der trigonometrische Messpunkt auf der Rückseite und im Garten der Universität: Als solcher fungiert das Denkmal für Josef Hlavka, Erbauer der Erzbischöflichen Residenz. Dort steht: „275 Meter über N(ormal) N(ull). Gradmessung 1875“. Gelegentlich scheint es, als habe in dieser Stadt eine endlos fortzusetzende Zahl von Inschriften, Erinnerungstafeln und Schriftzügen die Jahrzehnte seit 1918 mühelos und wie in wandelndem Schlaf überstanden.
Zuletzt sei dem Archiv der Stadt gedacht. Behaust in den Gewölben, Wendeltreppen, Hinterzimmern und Kammern der ehemaligen Jesuitenkirche, der Herz-Jesu-Kirche am Ferdinandsplatz, gegenüber der Splenygasse und in unmittelbarer Nachbarschaft zum großen Stadtbasar, ist es unschwer zu finden. Dieser Ort wartet unter anderem mit dem gesamten Zeitungsbestand auf, der sich seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts dank des überaus fleißigen publizistischen Bemühens von Privatleuten, Zeitungsredakteuren und Verlagsinstitutionen angehäuft hat. Dazu existiert eine schier unerschöpfliche Zahl amtlicher Dokumente, also Bürgerlisten, Straßenverzeichnisse, behördliche Briefe, offizielle Schreiben, Liegenschaftspläne, notarielle Beglaubigungen und Schulzeugnisse aus Kaiserzeit und Rumänenära, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Ein heller Lesesaal lädt zum Studium ein, jedermann hat Zugang, Deutsch und Rumänisch sind kein Problem. Freie Ukraine. Die Geheimniskrämerei der Sowjetzeit, hier gehört sie der Vergangenheit an.
Nicht unterschlagen werden dürfen die Friedhöfe der Stadt, vor allem die beiden alten, der christliche und der jüdische. Sie warten mit einer schier unermesslichen Zahl von Zeugnissen in den Sprachen und Schriften auf, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg in der Bukowina gesprochen, geschrieben wurden und üblich waren. Von den Sprachen finden sich auf den Grabsteinen schnell ein halbes Dutzend, von den Schriften drei: lateinisch, kyrillisch, hebräisch. Nirgendwo sonst spiegelt sich auf überschaubarem Raum und in problemloser Erreichbarkeit die einst ethnische und sprachliche Vielfalt des Landes deutlicher ab als hier. Das gilt auch für die große Zahl der Friedhöfe draußen auf dem Land. Sadagora, Wiznitz, Czudyn, Berhomet. Für wenigstens einen der berühmten Friedhöfe, die ja nicht immer die jüdischen sein müssen, sollte man sich Zeit nehmen.
Und es gibt die Menschen. Immer wieder erstaunt es, wie oft man auf Reisen durch die Bukowina auf die Kenntnis unserer Sprache stößt. Man sollte sich nicht scheuen, Fragen nach Busverbindungen, nach Personen, Straßen oder Häusern auf Deutsch zu stellen, nicht anders Erkundigungen auf dem Basar oder an der Landesgrenze.
Wer ist schon gewappnet mit der Sprachkompetenz, wie eigentlich für das Begreifen dieser Stadt und für das historische wie kulturelle Verständnis dieses kleinen Landes gefordert, am Ende unabdingbar ist? An erster Stelle steht heute das Ukrainische, keine Frage. Černivci spricht ukrainisch. Aber auch Kenntnisse des Russischen sind notwendig, das Kyrillische herrscht vor. Der größte Teil der Literatur des Landes erschien nach dem Zweiten Weltkrieg in russischer Sprache, ebenso war Russisch die Sprache des Verkehrs, der Partei und der Verwaltung. Taucht man tiefer die die Stadtgeschichte, muss man auf die lateinische Schrift umstellen und sich mit dem Rumänischen vertraut machen. Die Südbukowina spricht und sprach Rumänisch, vor dem Zweiten Weltkrieg aber ebenso gut Deutsch.
Hundertfünfzig Jahre stand das Deutsche an maßgeblicher Stelle. Daneben gab es aber auch das Polnische und vor allem das Jiddische und die hebräische Schrift. Erinnert sei an die Jiddische Sprachkonferenz von 1908, die ausgerechnet hier stattfand, in der Bukowina, in Czernowitz, die einzige ihrer Art überhaupt. Im Nationalgebäude durfte nicht getagt werden, eine Folge des innerjüdischen Streits, aber das Musikvereinsgebäude konnte genutzt werden und das ukrainische Narodni Dim. Auch Hebräisch selbst spielte eine nicht unbedeutende Rolle und spielt es wieder. So gesehen verfügen – zumindest hier im Westen und in unserem Sprachraum – wahrscheinlich nur sehr wenige Menschen über die Sprachkompetenz, die den hohen Anforderungen gerecht wird, sich mühelos, ohne Übersetzungshilfen, im Verhältnis eins zu eins in den Originaldokumenten, Quellen und Belegen zur Landesgeschichte und ihrer Literatur zurecht zu finden oder mit tieferem Verständnis der wechselvollen Geschichte dieses Landes zu begegnen.
Da dies, die Beschäftigung mit der Stadt und mit der gar nicht so großen Provinz, in die sie eingebettet lag, gewissermaßen aus dem Kunstlicht und dem Staub der heimischen Studierstube, aus dem trockenen Reglement öffentlicher Bibliotheken, von der grauen Theorie des Papiers in die holde Praxis eines Freilichtmuseums ganz besonderer Art verlegt werden kann, ein Geschenk von unschätzbarem Wert übrigens, eine außerordentlich glückliche Fügung, sollte man keine Stunde versäumen und sich sofort auf den Weg dorthin begeben. So lange noch Zeit ist. Das bauliche Erbe dieses urbanen Wesens, dazu braucht’rsquo;s keine große Überzeugungsarbeit, es ist unübersehbar, drängt in die Zeit. Sein aktueller Zustand ist hinfällig, nicht weniger als seine nahe und ferne Zukunft anlässlich der großen wirtschaftlichen Sorgen, die die Ukraine beherrschen, beängstigend erscheinen. Beides, wer wird das bestreiten angesichts der betagten Bausubstanz, der seit dem Ersten Weltkrieg versäumten Renovierung sämtlicher Stiegenhäuser, der stadtweit maroden Dächer, der Schlaglöcher in den Straßen, der brüchigen Wasserrohrleitungen, des lädierten Zustands der gesamten kommunalen Infrastruktur, beides gründet sich auf zutiefst Stoffliches oder befindet sich in elementarer Abhängigkeit von diesem.
Und es sieht eigentlich nicht danach aus, als verwende die Stadt alle Mühe, ihren allmählichen Verfall irgendwie aufzuhalten. Sie hat andere Sorgen. Allein zum behutsamen Wandel fehlt ihr die Kraft, die monetäre Potenz. So werden die unbefriedigenden Zustände immer wieder ins nächste und folgende Jahr, in die nächste und folgende Haushaltsperiode perpetuiert, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Natürlich hat die Stadt – so viel Poesie sei an dieser Stell erlaubt - von Anfang an und gleichsam im Schöpfungsakt selber mit ihrem Untergang liebäugelt. Das liegt wohl in ihrer Natur. Aber dass möglicherweise Rettung nicht einmal fern am Horizont der Zukunft auszumachen ist, kann schon Anlass sein für eine kleine Verzweiflung.
Andererseits gibt es gute Gründe, gerade am Tatbestand mangelnder Selbstheilungskräfte die Hoffnung anzuknüpfen, die Stadt rette sich damit erst einmal über irgendeinen wie immer beschaffenen Zeitraum vager Orientierungslosigkeit hin zu einem kunsthistorisch und städtebaulich beglückenden Neuanfang und einer Periode konservatorischer Rückbesinnung. Doch: wo hat es das je gegeben? Mit jeder Einjustierung der wirtschaftlichen Parameter und Plandaten hin ins Positive, das ist zu befürchten - wir kennen das, wir aus dem Westen sind die gebrannten Kinder -, mit jeder Entscheidung zu dieser oder jener fundamentalen wirtschaftspolitischen oder administrativen Weichenstellung wachsen auch Zweifel an einer Genesung der Stadt hin zu einer sowohl architektonischen als auch städtebaulich befriedigenden Konsolidierung. Die Stadt könnte im Zuge allgemeiner wirtschaftlicher Wiederbelebung wohl ihre ökonomische Zukunft gewinnen, ihren einmaligen kunsthistorischen Wert aber schnell verspielt haben.
Denn es ist ja – das muss an dieser Stelle anwaltlich einmal vorgetragen werden – es ist ja nicht einmal der allumfassende Verfall, der der großen kunsthistorischen Hinterlassenschaft ihr Ende bereiten, der das Aus für das Gesamtkunstwerk Czernowitz wie für irgendein anderes auf der Welt einläuten könnte. Es ist auch nicht die Gleichgültigkeit alleine, es sind nicht nur die knappen Mittel, die eingeschränkten Möglichkeiten, die dazu vielleicht ihren Pflichtbeitrag leisten. Wie überhaupt die drohende Gefahr mit Sicherheit nicht aus dem Einmaleins logischen Kalküls abzuleiten wäre. Dann hätte das reiche Mitteleuropa bis heute eine große, ungebrochene kunstgeschichtliche Tradition des Städtebaus.