Inhalt
Buchvorstellung
O.A.
Czernowitz und die Bukowina. Harald Heppners vielstimmiger Chor.
Neues aus der historischen Ecke eines europäischen Winkels
Seit Emanuel Turzynskis Geschichte der Bukowina in der Neuzeit (1993) wurde das Thema - sehen wir einmal von Werner Conzes fulminanter Osteuropareihe ab - nicht wieder in einer Gesamtdarstellung, in dieser Ausführlichkeit und in deutscher Sprache bearbeitet, und nichts, dies unsere Erwartung, würde ihm so gut tun, wie der frische Wind und die Durchlüftung durch ein Autorenteam überwiegend nicht-deutschsprachiger Herkunft; als ob die monoglotte, meinetwegen deutsche, nicht zu vergessen landsmannschaftliche Aufarbeitung des Themas immer nur zur Verengung führe, zu argumentativer Einäugigkeit und voreingenommener, gleichsam kolonialistischer Sicht. Hier nun sollte eigentlich Dynamik aufkommen und Freude am sprachlichen wie national-ethnischen Perspektivwechsel und ungewohnten Ansatz, der uns schon 1993 mit den Autoren Hannes Hofbauer und Viorel Roman und ihrem Band Bukowina. Bessarabien. Moldawien überrascht und unser Interesse geweckt hat, wenn vielleicht auch nicht zufrieden gestellt. Welches Thema fordert mehr als jedes andere die multinationale Betrachtungsweise in der Geschichtsschreibung, so darf an dieser Stelle durchaus arglos gefragt werden, als das kleine Ländchen östlich der Karpaten?
Nun also die Sammlung von Harald Heppner, Dozent für Südosteuropäische Geschichte in Graz. Heppner versammelt Fachleute aus den die Czernowitzer Vorkriegsgesellschaft vertretenden Ethnien, und das sind allemal Ukrainer, Rumänen, Polen, Deutsche und Juden. Für die Rumänen stehen die Autoren Mihai-Stefan Ceausu und Stefan Purici, Historiker in Jassy und Suczawa, für die Ukrainer die beiden Czernowitzer Historiker Oleksandr Dobrzansky und Oleksandr Masan. Kurt Rein schreibt für die Bukowinadeutschen und David Sha´ary, Jerusalem, für die Bukowiner Juden. Kazimierz Feleszko, Warschau, vertritt die polnischen Interessen der Bukowiner Historiografie. Heppner leitet den Band mit einem Aufsatz ein, der Czernowitz historisch-komparativ in den südosteuropäischen Raum stellt. Dabei macht er die Sonderstellung dieser Stadt an der binnenstaatlich peripheren Lage fest, an der Verquickung mehrerer Ethnien, bei denen die deutsche eine vermittelnde Rolle spielt und an der über ihnen rangierenden und dennoch schöpferische Prozesse zulassenden habsburgischen Obrigkeit. Lemberg und Temeswar werden vorgestellt, jedoch kann Lemberg nur eingeschränkt und aus Gründen der durch die polnischen Eliten vorangetriebenen allgemeinen politischen und auch sprachlichen Polonisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Vergleich herangezogen werden. Die Lemberger Universität, der Verweis wäre in diesem Zusammenhang hilfreich gewesen, sollte sich schon über ein Jahrzehnt vor der Gründung der Czernowitzer Alma Mater vom Deutschen als Unterrichtssprache lösen.
Den Reigen der Beiträge eröffnet Oleksandr Masan mit einer Zusammenfassung von den ersten Anfängen am Pruth, die noch ganz im Dunkeln der Archäologie liegen, über die Periode der bürgerlichen und kommunalen Selbstbehauptung bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Ihr folgen Perioden der Modernisierung in der Zwischenkriegszeit unter den Rumänen und der Zeitraum der Industrialisierung unter den Sowjets von 1944 bis 1990. Diesen folgt schließlich die sogenannte zweite Modernisierung unter ukrainischer Ägide. Masan schreibt einen angenehmen und leicht verständlichen Stil, dessen nicht-muttersprachliche Ursprünge aber unverkennbar sind. Gelegentlich anstrengend wirkt die hartnäckige Verwendung des deutschen Perfekt. Nicht selten geraten mit ihm die zeitlichen Erzählebenen durcheinander. Originell erscheinen auch einige Wortschöpfungen wie die vom mauretanischen statt maurischen Stil des Großen Tempels (und eben gerade nicht Großen Synagoge) oder der Hinweis auf eine Fabrik für Betoneisenteile, die hierzulande immer nur als Betonfertigteile durchgehen dürften. Masan häuft daneben eine erkleckliche Zahl von Unsicherheiten in der Namensorthografie. Die heutige vulica A. Barbûsa (nach Henri Barbusse) kann nicht mit Barbusgasse übersetzt werden und es ist die Piata Alexandri, die in den Dreißigern den Schauplatz bildet für eine bemerkenswerte Inszenierung moderner rumänischer Architektur. Ein behutsames Lektorat, mit dem der Verlag Böhlau möglicherweise überfordert gewesen wäre, hätte leicht Abhilfe schaffen können.
Gravierend, unakzeptabel, ja geradezu erstaunlich für einen ausgewiesenen Kenner der Bukowiner Geschichte aber sind Einlassungen über die Verlustperiode 1940 – 1944. Da wollten plötzlich Bukowiner Juden auf die Umsiedlerlisten für deutsche Emigranten. Wohlgemerkt, es handelt sich um die Heimholung der Bukowinadeutschen ins nationalsozialistische Reich, das sich seit zwei Jahren im Krieg befindet und dessen Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik längst ihren Anfang genommen hat! Auch wenn der Tatbestand einer kritischen Quellenprüfung standhalten sollte, was er wohl tut (s. Kurt Rein), ist der Vorgang in seiner ganzen Exotik und Singularität ohne Relevanz für das Gesamtschicksal dieser Menschen, Deutsche wie Juden. Über Not und Bedrängnis dieser Menschen in schwerster Zeit, ihre Ängste, ihre Irrtümer, lieber kein Wort!
Nun also die Sammlung von Harald Heppner, Dozent für Südosteuropäische Geschichte in Graz. Heppner versammelt Fachleute aus den die Czernowitzer Vorkriegsgesellschaft vertretenden Ethnien, und das sind allemal Ukrainer, Rumänen, Polen, Deutsche und Juden. Für die Rumänen stehen die Autoren Mihai-Stefan Ceausu und Stefan Purici, Historiker in Jassy und Suczawa, für die Ukrainer die beiden Czernowitzer Historiker Oleksandr Dobrzansky und Oleksandr Masan. Kurt Rein schreibt für die Bukowinadeutschen und David Sha´ary, Jerusalem, für die Bukowiner Juden. Kazimierz Feleszko, Warschau, vertritt die polnischen Interessen der Bukowiner Historiografie. Heppner leitet den Band mit einem Aufsatz ein, der Czernowitz historisch-komparativ in den südosteuropäischen Raum stellt. Dabei macht er die Sonderstellung dieser Stadt an der binnenstaatlich peripheren Lage fest, an der Verquickung mehrerer Ethnien, bei denen die deutsche eine vermittelnde Rolle spielt und an der über ihnen rangierenden und dennoch schöpferische Prozesse zulassenden habsburgischen Obrigkeit. Lemberg und Temeswar werden vorgestellt, jedoch kann Lemberg nur eingeschränkt und aus Gründen der durch die polnischen Eliten vorangetriebenen allgemeinen politischen und auch sprachlichen Polonisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Vergleich herangezogen werden. Die Lemberger Universität, der Verweis wäre in diesem Zusammenhang hilfreich gewesen, sollte sich schon über ein Jahrzehnt vor der Gründung der Czernowitzer Alma Mater vom Deutschen als Unterrichtssprache lösen.
Den Reigen der Beiträge eröffnet Oleksandr Masan mit einer Zusammenfassung von den ersten Anfängen am Pruth, die noch ganz im Dunkeln der Archäologie liegen, über die Periode der bürgerlichen und kommunalen Selbstbehauptung bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Ihr folgen Perioden der Modernisierung in der Zwischenkriegszeit unter den Rumänen und der Zeitraum der Industrialisierung unter den Sowjets von 1944 bis 1990. Diesen folgt schließlich die sogenannte zweite Modernisierung unter ukrainischer Ägide. Masan schreibt einen angenehmen und leicht verständlichen Stil, dessen nicht-muttersprachliche Ursprünge aber unverkennbar sind. Gelegentlich anstrengend wirkt die hartnäckige Verwendung des deutschen Perfekt. Nicht selten geraten mit ihm die zeitlichen Erzählebenen durcheinander. Originell erscheinen auch einige Wortschöpfungen wie die vom mauretanischen statt maurischen Stil des Großen Tempels (und eben gerade nicht Großen Synagoge) oder der Hinweis auf eine Fabrik für Betoneisenteile, die hierzulande immer nur als Betonfertigteile durchgehen dürften. Masan häuft daneben eine erkleckliche Zahl von Unsicherheiten in der Namensorthografie. Die heutige vulica A. Barbûsa (nach Henri Barbusse) kann nicht mit Barbusgasse übersetzt werden und es ist die Piata Alexandri, die in den Dreißigern den Schauplatz bildet für eine bemerkenswerte Inszenierung moderner rumänischer Architektur. Ein behutsames Lektorat, mit dem der Verlag Böhlau möglicherweise überfordert gewesen wäre, hätte leicht Abhilfe schaffen können.
Gravierend, unakzeptabel, ja geradezu erstaunlich für einen ausgewiesenen Kenner der Bukowiner Geschichte aber sind Einlassungen über die Verlustperiode 1940 – 1944. Da wollten plötzlich Bukowiner Juden auf die Umsiedlerlisten für deutsche Emigranten. Wohlgemerkt, es handelt sich um die Heimholung der Bukowinadeutschen ins nationalsozialistische Reich, das sich seit zwei Jahren im Krieg befindet und dessen Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik längst ihren Anfang genommen hat! Auch wenn der Tatbestand einer kritischen Quellenprüfung standhalten sollte, was er wohl tut (s. Kurt Rein), ist der Vorgang in seiner ganzen Exotik und Singularität ohne Relevanz für das Gesamtschicksal dieser Menschen, Deutsche wie Juden. Über Not und Bedrängnis dieser Menschen in schwerster Zeit, ihre Ängste, ihre Irrtümer, lieber kein Wort!