Inhalt
Buchvorstellung
Mitte Juni 1941, so Masan, wurden (nur in Czernowitz oder in der ganzen Bukowina?) Hunderte Personen verschiedener Nationalitäten verhaftet und nach der ASSR Komi, was immer das auch sei, deportiert. Schon wenige Seiten weiter macht Oleksandr Dobrzansky aus diesen Hunderten 10.000, und aus der lediglich gespannten Situation bei Masan wird bei Dobrzansky eine der massenhaftesten Deportationen im Jahre 1941. Die großartige Rolle Traian Popovicis, des Czernowitzer Vizebürgermeisters, in der Krise 1941, für viele Juden, also Bürger der Stadt, lebensrettend, existentiell, wird nur wie beiläufig erwähnt. Masan wird dessen geradezu heldenhaft zu nennender Opposition, Eigenmächtigkeit und Verzögerungstaktik der eigenen militärischen Administration gegenüber nicht im Ansatz gerecht. Und vollends traurig stimmt den mit der Lyrik Paul Celans vertrauten Leser die Feststellung Masans, Celans Eltern seien im November 1941 oder im Juni des folgenden Jahres mit insgesamt 4500 anderen Juden ins Ausland entkommen. Als sei der Tod seiner, Celans, Eltern allein Sache dessen Poesie und deren Schicksal bedürfe weiter keines historischen Belegs, ausgenommen jenes polnischen aus dem Jahre 1973, den Masan im Apparat anführt, den ganzen modernen Forschungsstand ignorierend. Und es stellt sich wirklich die Frage, ob wir Kenntnis haben müssen über Details der Papierqualität des Czernowitzer Geldes (1914), andererseits die 1944/45 von den sowjetischen Stellen organisierte Aussiedlung der meisten Czernowitzer Polen in einem einzigen Satz abgehandelt wird.
Spätestens mit Mihai Stefan Ceausus Arbeit über das rumänische Komplement Bukowiner Geschichte wird offensichtlich, wie wichtig, wie unerlässlich es ist, ukrainische, russische und rumänische Personen- und Ortsnamen - wissenschaftlich und international verbindlich transliteriert - in der Landeshistoriografie zu etablieren und die Bukowiner Kulturgeschichte sprachwissenschaftlich auf ein breiteres Fundament zu stellen. Die von den Autoren des Bandes vielleicht etwas unbekümmert gehandhabte Ablösung aus der germanisierenden Umarmung der Orts- und Personennamen sowie der politischen Begriffe, wie sie unter Habsburg die Schreibweisen Bukowiner Behörden, den amtlichen Schriftverkehr und einen nicht unwesentlichen Teil des kulturellen Lebens und der Literatur über anderthalb Jahrhunderte lang dominierten, lässt erahnen, wie schwierig das polyglotte Parkett auf der Czernowitzer Bühne für die jeweils andere Ethnie, insbesondere Ukrainer und Rumänen, einst gewesen sein muss. Dies zu korrigieren, darf allerdings auch wieder nicht so weit führen und Geschichte klittern, die tradierten phonemischen Eindeutschungen und Polonisierungen etwa der Toponymik ganz und gar aus dem kulturellen Gedächtnis zu streichen oder um die schier unerschöpfliche Zahl eigener Kreationen zu erweitern, zum Beispiel mit Sha´aris Vizhnitz. Dabei kann es durchaus erlaubt sein, für die Polonisierungen das ältere historische Recht zu reklamieren, war das Polnische doch eine der ehemaligen Kanzleisprachen im moldauischen Fürstentum (Feleszko). Beispielgebend sei vielleicht der Umgang mit den Czernowitzer Straßenbenennungen, wie er vor dem Ersten Weltkrieg üblich war: Im Zweifelsfalle lieber mehrsprachig (aber natürlich unter Ausschluss von Neuschöpfungen, sondern immer nur im Rahmen der Landessprachen), als beharrlich auf den eigenen Sprachraum fixiert. Das sollte für alle Nationen gelten, die sich einst im Czernowitzer Karussell gedreht haben.
Wir alle, die wir uns mit der Bukowiner Geschichte beschäftigen, wissen um deren tiefe Abgründe und leidvollen Verlauf. Vor allem dahingehend sollte das Buch Heppners nichts ausblenden, vielmehr unsere Kenntnisse und Einsichten erweitern und vertiefen. Das mag aber oftmals nicht gelingen angesichts der eindimensionalen Geschichtsvermittlung, der sich die Autoren befleißigen, einer Darstellungsweise, die sich oft wie blind stellt für Vorgänge außerhalb der ins Auge gefassten, ja geradezu fokussierten eigenen Nation. Viel zu viel erfahren wir aus der vorpolitischen Zeit der Bukowiner Geschichte, aus der moldauischen und osmanischen Ära, aus den ersten Jahrzehnten unter Habsburg. Dagegen scheint die gesamte historische Problematik des 20. Jahrhunderts nicht selten wie ausgeblendet. So zeichnet Ceausu den ganzen ethnisch-politischen Konflikt der zwanziger und dreißiger Jahres des letzten Jahrhunderts, der doch für die Czernowitzer Bevölkerung so prekär wie kaum ein anderer und gerade aus der Sicht der Rumänen außerordentlich bedeutungsvoll war, in etwas mehr als einer einzigen Seite nach. Wir erfahren nichts von der Rakovskij-Note, Mai 1919, nichts von den Vorgängen um die Abtretung der Nordbukowina an die Ukrainische SSR im Juni 1940, nichts von den elementaren Auseinandersetzungen in der Bukowiner Schulpolitik, nichts von der Besetzung des Stadttheaters im Dezember 1921 durch rumänische Studenten. Das kann einem Buch mit dem titelgebenden Anspruch auf geschichtliche Durchleuchtung einer ungewöhnlichen Stadt nicht guttun. Wenn nicht hier, in diesem Band, wo können wir der zentralen geschichtlichen Problematik der Jahrzehnte um die beiden großen Kriege begegnen?
Wenn Kurt Rein mit seinem Beitrag über Czernowitz und die Deutschen eine akzeptable Würdigung des deutsch-jüdisch literarischen Schaffens in der Bukowina, die ihm offensichtlich ein Anliegen ist, zuwege bringt, geht er bei Licht besehen am historischen Schwerpunkt des Bandes und der Themenstellung seines eigenen Beitrags vorbei. Tatsächlich hat er zur habsburgischen Ära und zur Gründung der Universität aus der Sicht der Bukowinadeutschen einiges zu sagen. Doch warum muss er an dieser Stelle unbedingt einen Strauß mit Hildrun Glass und Klaus Werner (Fäden ins Nichts gespannt) fechten? Warum werden Rose Ausländer, Paul Celan, Alfred Margul-Sperber und andere mit der eher abfälligen Bezeichnung Literaten bedacht? Und warum nur hat er immer irgendetwas zu verteidigen, wo doch die Rolle der Deutschen und Juden und ihrer Sprache in dieser Provinz und in der Zeit vor dem Zweiten, mehr noch vor dem Ersten Weltkrieg unangefochten war? Gewünscht hätte man sich statt dessen, Rein hätte ausführlicher den Prozess des Abgleitens der Deutschen vom Bukowinismus geklärt. Wie stark waren die Bukowiner Deutschen in der politischen Tradition dieses Ländchens und in seiner bürgerlichen Liberalität verhaftet, wenn sie doch am Ende mit dem Deutschen Reich und seiner Ideologie sympathisierten oder gar mit fliegenden Fahnen überliefen?
Spätestens mit Mihai Stefan Ceausus Arbeit über das rumänische Komplement Bukowiner Geschichte wird offensichtlich, wie wichtig, wie unerlässlich es ist, ukrainische, russische und rumänische Personen- und Ortsnamen - wissenschaftlich und international verbindlich transliteriert - in der Landeshistoriografie zu etablieren und die Bukowiner Kulturgeschichte sprachwissenschaftlich auf ein breiteres Fundament zu stellen. Die von den Autoren des Bandes vielleicht etwas unbekümmert gehandhabte Ablösung aus der germanisierenden Umarmung der Orts- und Personennamen sowie der politischen Begriffe, wie sie unter Habsburg die Schreibweisen Bukowiner Behörden, den amtlichen Schriftverkehr und einen nicht unwesentlichen Teil des kulturellen Lebens und der Literatur über anderthalb Jahrhunderte lang dominierten, lässt erahnen, wie schwierig das polyglotte Parkett auf der Czernowitzer Bühne für die jeweils andere Ethnie, insbesondere Ukrainer und Rumänen, einst gewesen sein muss. Dies zu korrigieren, darf allerdings auch wieder nicht so weit führen und Geschichte klittern, die tradierten phonemischen Eindeutschungen und Polonisierungen etwa der Toponymik ganz und gar aus dem kulturellen Gedächtnis zu streichen oder um die schier unerschöpfliche Zahl eigener Kreationen zu erweitern, zum Beispiel mit Sha´aris Vizhnitz. Dabei kann es durchaus erlaubt sein, für die Polonisierungen das ältere historische Recht zu reklamieren, war das Polnische doch eine der ehemaligen Kanzleisprachen im moldauischen Fürstentum (Feleszko). Beispielgebend sei vielleicht der Umgang mit den Czernowitzer Straßenbenennungen, wie er vor dem Ersten Weltkrieg üblich war: Im Zweifelsfalle lieber mehrsprachig (aber natürlich unter Ausschluss von Neuschöpfungen, sondern immer nur im Rahmen der Landessprachen), als beharrlich auf den eigenen Sprachraum fixiert. Das sollte für alle Nationen gelten, die sich einst im Czernowitzer Karussell gedreht haben.
Wir alle, die wir uns mit der Bukowiner Geschichte beschäftigen, wissen um deren tiefe Abgründe und leidvollen Verlauf. Vor allem dahingehend sollte das Buch Heppners nichts ausblenden, vielmehr unsere Kenntnisse und Einsichten erweitern und vertiefen. Das mag aber oftmals nicht gelingen angesichts der eindimensionalen Geschichtsvermittlung, der sich die Autoren befleißigen, einer Darstellungsweise, die sich oft wie blind stellt für Vorgänge außerhalb der ins Auge gefassten, ja geradezu fokussierten eigenen Nation. Viel zu viel erfahren wir aus der vorpolitischen Zeit der Bukowiner Geschichte, aus der moldauischen und osmanischen Ära, aus den ersten Jahrzehnten unter Habsburg. Dagegen scheint die gesamte historische Problematik des 20. Jahrhunderts nicht selten wie ausgeblendet. So zeichnet Ceausu den ganzen ethnisch-politischen Konflikt der zwanziger und dreißiger Jahres des letzten Jahrhunderts, der doch für die Czernowitzer Bevölkerung so prekär wie kaum ein anderer und gerade aus der Sicht der Rumänen außerordentlich bedeutungsvoll war, in etwas mehr als einer einzigen Seite nach. Wir erfahren nichts von der Rakovskij-Note, Mai 1919, nichts von den Vorgängen um die Abtretung der Nordbukowina an die Ukrainische SSR im Juni 1940, nichts von den elementaren Auseinandersetzungen in der Bukowiner Schulpolitik, nichts von der Besetzung des Stadttheaters im Dezember 1921 durch rumänische Studenten. Das kann einem Buch mit dem titelgebenden Anspruch auf geschichtliche Durchleuchtung einer ungewöhnlichen Stadt nicht guttun. Wenn nicht hier, in diesem Band, wo können wir der zentralen geschichtlichen Problematik der Jahrzehnte um die beiden großen Kriege begegnen?
Wenn Kurt Rein mit seinem Beitrag über Czernowitz und die Deutschen eine akzeptable Würdigung des deutsch-jüdisch literarischen Schaffens in der Bukowina, die ihm offensichtlich ein Anliegen ist, zuwege bringt, geht er bei Licht besehen am historischen Schwerpunkt des Bandes und der Themenstellung seines eigenen Beitrags vorbei. Tatsächlich hat er zur habsburgischen Ära und zur Gründung der Universität aus der Sicht der Bukowinadeutschen einiges zu sagen. Doch warum muss er an dieser Stelle unbedingt einen Strauß mit Hildrun Glass und Klaus Werner (Fäden ins Nichts gespannt) fechten? Warum werden Rose Ausländer, Paul Celan, Alfred Margul-Sperber und andere mit der eher abfälligen Bezeichnung Literaten bedacht? Und warum nur hat er immer irgendetwas zu verteidigen, wo doch die Rolle der Deutschen und Juden und ihrer Sprache in dieser Provinz und in der Zeit vor dem Zweiten, mehr noch vor dem Ersten Weltkrieg unangefochten war? Gewünscht hätte man sich statt dessen, Rein hätte ausführlicher den Prozess des Abgleitens der Deutschen vom Bukowinismus geklärt. Wie stark waren die Bukowiner Deutschen in der politischen Tradition dieses Ländchens und in seiner bürgerlichen Liberalität verhaftet, wenn sie doch am Ende mit dem Deutschen Reich und seiner Ideologie sympathisierten oder gar mit fliegenden Fahnen überliefen?