Czernowitz Bukowina - Wo Menschen und Bücher lebten

 

Inhalt

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Buchvorstellung
Die Relikte der Czernowitzer jüdischen Kultur sind geistiger Natur. Es ist die einzigartige Erbschaft ihrer Lyriker, die dies osteuropäische Städtchen der Anonymität entrissen und der Weltkultur einverleibt hatte. Othmar zitiert Celan, Rose Ausländer, Kittner und viele andere. Die Lyrik der Czernowitzer Dichter erleichtert das Verständnis der radikalen, oft kriminellen Umwälzungen, die sich hier abgespielt hatten. Die sprachliche Vergewaltigung durch die Rumänen, sie soziale durch die Russen und schließlich die totale, endgültige, durch die rumänisch-deutsche Herrschaft.



Andree kennt die deutsche Literatur der Bukowina. Er weiß, dass er mit ihrer Hilfe die Leidensgeschichte der dortigen Judenschaft erfassen kann. Doch das genügt ihm nicht. Er sucht nach Beweisstücken. Nach jüdischen Reliquien forschend, gelangt er zu den Friedhöfen mit ihren steinernen Zeugen. Er findet die Namen der Menschen, die hier gelebt, geschaffen und gelitten hatten.



Vom Friedhof in Czernowitz mit dem Grab des jungen Fallik, Symbol erwachenden Judenhasses, zu den Gräbern von Nepolokoutz auf einem mit Unrat besäten Hinterhof eines Privathauses und schließlich zum Bejt Ojlim von Sadagora, mit den Gräbern der Leuchten des Chassidismus.



Ja, wenn nichts anderes zurück geblieben ist, schreiben die Grabsteinen die Geschichte. Doch nicht alle Erzählungen Andrees sind der Vergangenheit gewidmet. Ich würde die meisten Abschnitte des Buches als literarische Reportagen bezeichnen, außer der "Habsburgshöhe", einem Poem in Prosa von besonderem Reiz, wo den uralten Bäumen aus der k.u.k.-Zeit etwas vom heutigen Leben der jetzt ukrainischen Stadt gegenübergestellt wird. Auch der Cecina ist da, unverändert grün, wie zur Zeit unserer sonntäglichen Ausflüge.



Wichtige Kapitel sind der jüdischen Welt Sadagoras gewidmet, der Residenz, der Hochburg der chassidischen Dynastie der Friedmanns.



*



Aspekte aus Czernowitz und der Bukowina sind nicht chronologisch oder thematischen angeordnet, sondern wie zufällig im Lichtstrahl der Taschenlampe gesichtet. Hingegen ist jedes Thema gründlich, mit den kleinsten Einzelheiten behandelt, und nichts bleibt dem Leser verborgen. In letzter Zeit wurde viel über die Bukowina und Czernowitz geschrieben. Doch Othmar Andrees "Czernowitzer Spaziergänge" sind anders. Bei ihm verstricken sich die Vergangenheit und Gegenwart zu einem Ganzen und, wie gesagt, als Verliebter, ist er stets bereit, unter der hässlichen Farbe die Reize der Vergangenheit zu erspähen. Andree liebt die Bukowina und ihre Menschen, die einst hier gelebt, geschaffen und bitter gelitten haben, aber auch das Neue, das langsam aus dem Boden zu sprießen beginnt.



Das in der Rose Ausländer-Stiftung erschienene Buch Othmar Andrees ist für jeden Bukowiner eine spannende und zu Herzen gehende Lektüre und für den Fremden die Entdeckung einer verschwundenen Welt.






J.N. Rudel. In: Die Stimme. Mitteilungsblatt für die Bukowiner

Nr. 610, 57. Jahrgang. März 2001. 63455 Tel Aviv, Arnonstr. 12

 


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